Max Bruch (1838-1920) Peter Lika Kantorei Maulbronn Die K&K Verlagsanstalt präsentiert aus der Edition Kloster Maulbronn |
Max Bruch (1838-1920)
Durch Meer und Wüsten zog er vor uns her, Der Engel des Herrn Mose, du Knecht des Herrn, Schon dunkelt's um die Felsen abendlich, Ihr lagert hin am Berge Stamm um Stamm, Moses Auf, hervor aus euren Zelten, All überall, in öder Einsamkeit Ehre! Ehre ihm, der uns erlöset, Langt die Harfen euch, die Psalter Lobgesang Moses, Aaron, das Volk Herr, Gott, du bist uns're Zuflucht für und für! Du breitest aus die Mitternacht, Die Stimme des Herrn geht mit Macht! Der Engel des Herrn Mose, so spricht der Herr: Bereite dich und mach dich hinzu ins Dunkel, wo Gott innen ist. Wenn ihr nun seiner Stimme folgt, Moses So pflege, Aaron, des Volks an meiner statt, Aaron 0 Moses, was der Herr befiehlt, Moses Ich steige nun hinauf, Schon seht ihr Wolkendunkel um ihn her, Das Volk Er steigt hinan.
Ach Herr, wie so lang, Herr, Wie hatten in Ägypten die Fülle Fleisch! 0, wollte Gott, wir wären hin! Eia! Ha! Wer ist der Herr, Auf! Und mache uns Götter, Aaron Israel, schicke dich! Das Volk Schweig', du, geschweig'! Aaron Wie sollt' ich ein so großes Übel tun, 0 wär' ich wie in meiner Jugendzeit, Das Volk Die Götter tun uns dies und das, schaff Rat! Aaron Genug! Ihr wollt's, des Eiferns bin ich satt! Das Volk Gebt ihm Gold, gebt ihm Geschmeide! Her, daher! Seht, den heil'gen Stier er bildet! Feste, Feste woll'n wir feiern, Moses Abtrünnige, kam es dahin mit euch? Euch aber wird er selbst zerschmettern, Das Volk Halt, 1asst doch seh'n, Moses' Anhänger Wer mag der Zucht sich des Weh! Meine Sünden kommen über mich.! Moses Habt ihr vergessen seiner Taten, Er riss die Felsen In der Wüste auf Moses und Aaron Her, her zum Herrn, wer ihm noch angehört! Das Volk Poch nicht so hoch auf deine Macht, Tyrann! |
Max Bruch (1838-1920)
Glück zu, es ge1ang, 0 seliger Tag! Und ob denn auch Enaks Söhne uns dräu'n, Land des Sehnens, Land der Träume, Moses Die ich entsandt', die Boten kehren heim! Und auch mein Freund, Was nur hat dir dies Volk getan, Aaron Zur Höllen Pforten fahre ich dahin, Hör', Mose, mich, Aaron und das Volk Hilf du uns Gnade finden vor dem Herrn, Raucht denn der Zorn auf ewig über uns, Hört des Heerhorns tosend Dröhnen! Aaron Getrost, mein Volk, verzage nicht, Mit Adlersflügeln fahrt empor! Moses und das Volk Stoßet in die Halldrommeten! Moses Wie des Bergstroms Rauschewasser Wie die Brunst im Walde wütet Der Engel des Herrn Mose, auf! Ersteig' die Höhe, Der Engel des Herrn, das Volk Denn bei euch ist Gott, der Hehre, Seht! Mit viel tausend Heil'gen kommt der Herr!
Hör', Moses, was der Herr beschlossen hat: Denn du sollst das Land gegen dir sehen, Tut das Land, das er euch zugeschworen, Moses Du bist der Herr, ich habe nichts zu sagen Das Volk Aus Wüstensand nun ins Gebirg', Schon dämmert's auf, o Kanaan! 0 Kanaan, ersehntes, verheiss'nes Moses Gepriesen seist du, meiner Väter Gott, Du sollst nun Fürst sein über's Heer des Herrn! Wie breiten deine Bäche sich, In Frieden wohnst du ruhesam; Chor-Rezitativ Also starb Mose, der Knecht des Herrn, Die Klage des Volks über Moses Die richtig vor sich gewandelt haben, Die richtig vor sich gewandelt haben, |
"Große Gesangsmusik" In Köln geboren, wurzelte Max Bruch in der rheinischen Gesellschaft der Gründerzeit. Sein Tätigkeitsfeld als Musiker war vielfältig: er war Chorleiter, Dirigent, Hofkapellmeister, Musikdirektor, Musiklehrer und einer der am meisten geschätzten Komponisten seiner Zeit. Er wurde mit Titeln und Ehrungen überhäuft. Leitende Funktionen übte er in Liverpool, Berlin, Sondershausen und Breslau aus. 1891 wurde er zum Professor für Komposition an der Akademie der Künste in Berlin ernannt. Mit seiner zupackenden und offenherzigen Art knüpfte er viele persönliche Kontakte. Enge und förderliche Beziehungen pflegte er zu Karlsruhe, wo er mit dem Intendant Eduard Devrient und dem Kapellmeister Hermann Levi am Hoftheater, sowie mit dem Dichter Joseph V. von Scheffel befreundet war, aus dessen Werk er mehrere Stücke vertonte. Hier lernte Bruch den Dichter Paul Heyse kennen, der ihn mit nordischen, russischen und hebräischen Volksweisen bekannt machte, die Bruch später in Kompositionen verwendete. Bruch hinterließ ein umfangreiches uvre; allein 32 gedruckte Instrumentalwerke wie Sinfonien, Suiten, Tänze usw. Dass er mit seinen Konzerten für die Violine einen wichtigen Beitrag zur Literatur für dieses Instrument geleistet hat, steht außer Zweifel. Und doch betonte er immer wieder, dass "seine ganze Natur... auf die große Gesangsmusik" hinweise. Daher liegt der größere Teil seiner Werke vor allem in der weltlichen Vokalmusik, die er durch Solo- und Chorlieder, Opern Kantaten, Hymnen usw. bereicherte. Heroische Gestalten waren damals sehr beliebt; so sind seine fünf Oratorien dem Odysseus, Arminius, Achilleus, Moses und Gustav Adolf gewidmet. Bruchs klassizistisch-romantischer Stil liegt auf der Linie Mendelssohn - Schumann - Brahms. Oft kraftvoller als Mendelssohn und dessen Klarheit und Melodik nachstrebend, fehlten ihm andererseits die dunklen Töne und die Melancholie von Brahms. Seine Musik zeichnet sich durch temperamentvolle Aufgeschlossenheit, melodischen Erfindungsreichtum und ein Streben nach unbedingter Sangbarkeit und Klangschönheit aus. Dies alles unterschied ihn von der neuen Musik seines Jahrhunderts (Liszt, Wagner, R. Strauss u.a.), die er strikt ablehnte. Mit dem Bemühen um Bewahrung der Tradition hat Bruch nur mit einigen seiner Werke die Zeit überlebt.
Weil die Bibel dessen Name und Schicksal untrennbar mit dem Volk Israel verbunden hat. Ohne das Volk Israel und seinen Einen, wahren Gott hätte die Geschichte Jesu und der christlichen Kirche nicht den Gang nehmen können, den sie genommen hat. In den Fünf Büchern Mose (Tora, die jüdische "Belehrung") haben sich die Erinnerungen Israels an seine Vorzeit bis zur Landnahme niedergeschlagen. In den vier Überlieferungskreisen "Erzväter, Exodus, Sinai-Bund und Landnahme" sind die zentralen Ereignisse Exodus und Sinai-Bund mit Moses verknüpft. Die heutigen Wissenschaften können weitgehend die Bewegungen der Stämme Israels, die Orte und Zeiten, in die Welthistorie einsetzen. Zum Leben des Mannes Moses gibt es keine außerbiblischen Quellen; Herkunft, Geburt und Tod bleiben auch in der Schrift im Halbdunkel. Die Episode mit der Pharaonentochter ist eine Legende. Moses ist kein Religionsstifter und nicht der Erretter seines Volkes. Er wird in der Bibel als der Mann Gottes, als Knecht bezeichnet, der im Auftrag seines Herrn das Volk sicher aus Ägypten durch die Wüste an den Sinai und weiter bis zum Gelobten Land führt. Er ist ein Prophet, denn er redet im Auftrag Gottes, am Sinai als Mittler des von Gott eingesetzten Bundes mit Israel. Als Prophet überbringt er die neue Bundesordnung, die Zehn Gebote. Kein Held, nur ein Knecht und Prophet, aber auch nicht weniger. Ist die Bibellektüre der ursprüngliche Weg zur Erinnerung, so kann der Umgang mit Kunst ein erhellender sein. Moses ist das Thema unzähliger Werke der Musik, der bildenden Kunst, der Literatur. Zwei hervortretende Werke der jüngeren Zeit sind Thomas Manns Erzählung "Das Gesetz" (1943) und Marc Chagalls Ölgemälde "Exodus" (1952/66): Mehrere historische Ebenen sind miteinander dargestellt, Moses mit den Gesetzestafeln, hinter ihm als riesige Menschenmenge das Volk, wie es damals aus Ägypten kam und wie es zur Gründung des Staates Israel 1948 zieht. Darüber schwebt der gekreuzigte Jesus. In der Taufkapelle der Evang. Stadtkirche Karlsruhe ist ein Kunstwerk von Dagmar Weissinger angebracht: "Dekalogos" besteht aus zwölf Tafeln aus Schiefer mit Eingrabungen im Rhythmus der Texte der Zehn Gebote, die zum Nachdenken über das Gesetzeswerk auffordern.
Im Mittelpunkt des Werkes steht also die imponierende Persönlichkeit eines der größten Volksführer der Weltgeschichte, und daneben habe ich bewegte Massen - das scheint mir für ein Oratorium auszureichen", schrieb Max Bruch in einem Brief vom 17. Dez. 1893, mit dem er seinen Freund, den angesehenen Musikwissenschaftler und Bachforscher Philipp Spitta, in den Plan eines "Moses"-Oratoriums einweihte. Das alttestamentliche Sujet von Moses und seinem Volk, schon von Händel in "Israel in Ägypten" (1739) und von Carl Ph. E. Bach in "Die Israeliten in der Wüste" (1775) oratorisch bearbeitet, stand im 19.Jh. bei den biblischen Stoffen für große Vokalwerke und Opern mit elf Vertonungen (u.a. von Kreutzer, Lachner und Rossini) mit an vorderer Stelle und hat noch 1957 in Schönbergs Oper "Moses und Aaron" eine musikalische Darstellung gefunden. Bruchs biblisches Oratorium op.67 knüpft geschichtlich am Ende von Händels "Israel in Ägypten" an und führt vom Geschehen am Berg Sinai bis zu Moses' Tod im Anblick des verheißenen Landes Kanaan. Schon der machtvolle Eingangschor ist auf die Werkidee zugeschnitten: Moses erscheint als "der eigentliche, große Repräsentant und Bewahrer des Monotheismus" (Bruch), seine Größe liegt in der Erfüllung des Willens Jehovas' zum Bund mit Israel. Daher ist das Werk dramatisch angelegt, ohne Erzählrahmen. Das Libretto besteht aus Bearbeitungen von Textstellen des Alten Testaments und aus Psalmen-Zitaten. Die kraftvolle Sprache der Luther-Übersetzung ist noch zu spüren und ruft den Eindruck des Archaischen hervor. Mit der Texterarbeitung war der Bruder von Ph. Spitta, Ludwig, evange1ischer Pastor und Schriftsteller, beauftragt worden. Die drei Männer rangen auch um Kleinigkeiten der Gestaltung, denn dem erfahrenen Komponisten kam es sehr auf die Klarheit des literarischen Ausdrucks an, die der Klarheit des Tonsatzes entsprechen sol1te. Vier Episoden aus dem Leben des Moses sind in je einem Werkabschnitt dargestellt: In Das goldene Kalb steuert die Handlung in weitem Bogen auf den tragischen Konflikt des Oratoriums zu, den Abfall des Volkes Israel von Jehova (2.Mos 32,1-24). Drei impulsiv angelegte Chorszenen schildern die Unruhe und Zweifel des Volks über das lange Ausbleiben des Moses, die rohe Forderung an Aaron, als sichtbaren Götzen ein goldenes (Stier)Kalb zu schaffen, um das dann die Abtrünnigen jauchzend tanzen, und schließlich den Zorn des wiedergekommenen Moses, der das trotzige Volk zur Ordnung ruft. Die Rückkehr der Kundschafter aus Kanaan findet mitten in der Auseinandersetzung zwischen Moses und dem Volk statt. Die Späher, die Moses ins Gelobte Land geschickt hatte, berichten hymnisch vom "Land der Träume" (4.Mos 13,1-29), doch Moses ernüchtert: das Volk sei unwert des Gelobten Landes. Aaron und das Volk kommen zur Einsicht: "Hilf du uns Gnade finden". Es folgt der Kampf mit den Amalekitern (2.Mos 17,8- 16). In Das Land der Verheißung kündigt der Engel dem Moses sein nahen des Ende an. Moses führt sein Volk auf den Berg Nebo, der den Blick nach Kanaan erlaubt. Dort überträgt er Josua die Führung und segnet das Volk, ehe er stirbt. Das Rezitativ der Chorbässe mit der dunkel gesetzten Begleitung durch Posaunen und Orgel ist ein weiterer Höhepunkt des Werkes vor dem Schlusschor mit der Klage des Volkes Israel über Moses' Tod (5.Mos 32,48-52; 34,1-10). Trotz des plötzlichen Ablebens von Philipp Spitta im April 1894 wurde das Werk fertig gestellt und Anfang 1895 in Barmen unter der Leitung des Komponisten zur Premiere gebracht. Nach einigen Aufführungen bis 1900 traf, wie fast das gesamte Werk Bruchs im 20.Jh., auch sein Opus 67 das Schicksal des Vergessenwerdens. Doch setzte nach der britischen Erstaufführung 1988 eine Renaissance dieses Oratoriums mit Aufführungen in den USA und in mehreren deutschen Städten ein. d. w. plesch |