Der Streit der Werkzeuge
Und weil wir gerade beim Streiten
sind, ihr Kinder, fällt mir noch eine Geschichte ein. Eines
Abends, zu der Zeit als ich noch ein junger Bursche war, machte
ich einen Besuch bei meinem Onkel in einem kleinen Dorf am Rand
der Vogesen. Onkel Franz war Schreiner, und wie es damals noch
üblich war, gab es keine grossen Maschinen sondern alle
nötigen Arbeiten wurden mit Werkzeugen und Muskelkraft erledigt.
Nun denn, es war eines Abends im Sommer, im Dorf war Kirmes,
so richtig mit Karussell und Zuckerwatte, wisst ihr? Das ganze
Dorf traf sich auf dem Platz bei der grossen Linde um zusammen
Kirchweih zu feiern. Aber, aach, ich hatte meine Jacke vergessen
und musste nochmal zurück in die Werkstatt um sie zu holen.
Kaum hatte ich jedoch die schmucke rote Holztür einen Spalt
geöffnet, sah ich hinter Onkels Hobelbank den kleinen Werkstattkobold
hervorkriechen. Flugs versteckte ich mich hinter der Tür.
Wie ihr wisst sind Kobolde ja sehr scheu, und wenn sie Menschen
auch nur riechen, sind sie blitzschnell wieder weg. Zu der Zeit
hatte übrigens jede Werkstatt, die was auf sich hielt, ihren
eigenen Kobold.
Der kleine Kerl sprang auf die Bank, ass schnell ein paar Hobelspäne
und, nahm einen Mund voll Sägemehl und leckte ein zwei mal
am Leim. Dann war er satt. Er setzte sich auf die Hobelbank,
klatschte in die Hände und rief: Werkzeuge, kommt
bitte alle einmal hierher! Denn müsst ihr wissen,
alles Werkzeug bei dem Schreiner hatte gerade Streit, wer wohl
von ihnen der Vornehmste wäre, und sie hatten den Kobold
zu ihrem Schlichter auserkoren. Ja, da kamen sie nun alle gehüpft
und geklirrt, gerutscht, gepoltert und gesprungen.
Ich bin der Vornehmste! sagte der Hammer, denn
mit der Faust kann der Schreiner wohl nicht die Bretter zusammennageln!
- HoHoHo brabbelte der Leim, da bin ich doch
auch noch dabei! Und wenn du auch alles zusammenklopfst, die
Tische und Stühle würden ja wackeln, wenn ich sie nicht
leimen würde! - Ach was, klirrten die
Nägel, der Hammer könnte nicht hämmern und
der Leim könnte nicht ordentlich leimen, wenn wir Nägel
nicht wären! Darum sind wir die Vornehmsten! - Was
redet ihr da alles zusammen klapperte der Zollstock, alles
muss der Schreiner mit mir erst messen! Sonst fallen nachher
die Schränke und Bänke zusammen - Und
wenn ich nicht wäre, sagte der Hobel, dann wären
alle Schränke und Bänke rauh und ruppig wie Baumrinde!
Nein ich bin der Vornehmste! Und schliesslich redeten alle
wild durcheinander.
Der Schraubenzieher wollte genauso vornehm sein wie Winkel und
Zange. Die Wasserwaage sprach von ihrer Wichtigkeit und Raspel
und Feile klirrten vor Aufregung. Der arme kleine Kobold wusste
sich nicht anders zu helfen und hielt sich bei dem Lärm
einfach die Ohren zu. Nun seid doch bitte mal endlich still
- bitte! rief er, es sind ja auch noch andere von
euch da. Die Axt zum Beispiel, die hat noch kein Wörtchen
gesprochen! und der kleine Kobold bat sie nach vorne zu
kommen.
Die Axt kam aus ihrem Ecke gehumpelt und sprach: Was soll
ich euch viel sagen? Eigentlich ist mir das vornehme Getue viel
zu aufgeblasen. Aber wenn ihr unbedingt meine Meinung hören
wollt. Es ist halt mal so das ihr ohne meine Arbeit wohl alle
nichts zu tun hättet. Du, Hammer, nicht, du, Nagel, nicht,
du Hobel, nicht, - eigentlich ihr alle nicht! Ich schlage die
Bäume und haue aus ihnen die Balken und Bretter! Seht
ihr es nun, sagte der kleine Kobold, die Axt ist
die Vornehmste! Doch kaum hatte er das gesagt - da kam
auf einmal ein dickes Brett heranstolziert. In der Mitte des
Brettes war ein gewaltiger Astknoten. Hahaha, knarrte
der Astknoten, du sollst die Vornehmste sein, du dummes
Beil? Jeden Tag begegne ich dir und mache dich stumpf!
Kaum hatte der Astknoten jedoch ausgeredet, da sprang die Säge
von der Wand; bislang hatte sie noch kein Wort gesagt, doch jetzt
knirschte sie: He, du dämlicher Astknoten, mach nicht
so eine Fratze! Schämst du dich nicht? Na warte für
deine Frechheit schneide ich dich mitten durch! Und nicht
faul, packte die Säge das Brett, ritze-ratze - ritze ratze!
sägte sie den Astknoten samt Brett in zwei handliche Stücke.
Da schämte sich der Knoten sehr, und die zwei Stücke
hopsten in eine dunkle Ecke und liessen sich nicht mehr sehen.
So, sagte der Kobold, habt ihrs alle gesehen?
Ich denke die Säge soll jetzt die Vornehmste sein!
- Nein, Nein halt! sagte die Säge, wenn
die Axt nicht wäre, dann könnte ich das Brett ja gar
nicht zerschneiden! Letztendlich hat doch wohl die Axt zuerst
den Baum gefällt und das Brett geschlagen! Ich bin der Meinung
die Axt ist die Vornehmste!
Tja, und damit waren dann alle zufrieden und kehrten auf ihre
Plätze zurück. Der kleine Kobold gähnte, nahm
sich noch einen Mund voll Sägespäne und wisperte Na
denn gute Nacht Freunde!, kletterte gemütlich und
zufrieden von der Hobelbank herunter, und verschwand in seinem
Wohnloch dahinter. Ich machte mich darauf leise aus dem Staub
und ging wohlgelaunt zum Kirmesfest. Schliesslich hatte ich jetzt
endlich erfahren warum die Zimmerleute immer eine Axt in ihrem
Bündel haben... |